Von Torsten Herrmann Geschäftsführer chain relations GmbH

In vielen B2B-Branchen stößt die digitale Lead-Generierung an ihre Grenzen. Potenzielle Kunden sind zunehmend zurückhaltend, sich für Content zu registrieren. Sie bevorzugen freien Zugang zu Informationen und wollen den Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme mit Anbietern selbst bestimmen. Sie haben keine Lust, nach jedem Download von Vertriebler:innen angerufen zu werden. Diese Entwicklung fordert von uns allen, in Marketing und Vertrieb umzudenken: Weg von der klassischen Lead-Generierung, hin zu Demand Generation (oder zumindest eine Erweiterung um diesen Ansatz).

Die fünf Säulen moderner Demand Generation

Diese fünf Säulen bilden das Fundament erfolgreicher Demand Generation:

  • Content Marketing mit Thought-Leadership-Anspruch
  • Content SEO
  • Performance Marketing
  • Learning Center
  • Events

Anders als bei traditionellem Inbound Marketing geht es nicht darum, möglichst viele Marketing-qualified Leads zu gewinnen. Vielmehr ist es das Ziel, eine Community aus Menschen aufzubauen, die sich mit einer Entscheidung beschäftigen – sei es akut oder in naher Zukunft – und dabei mit uns als Anbieter und unseren Inhalten interagieren. Aus diesem Kreis werden dann Interessenten generiert, d. h. konkrete Anfragen potenzieller Kunden. Damit steigen die Kontakte direkt als Sales-qualified Leads in unseren Funnel ein.

Diese Herangehensweise folgt der Erkenntnis, dass B2B-Entscheider:innen heute zunehmend im “Dark Social” recherchieren. Sie nutzen eigene Netzwerke, besuchen Konferenzen und bevorzugen bei der digitalen Recherche zugangsfreien Content. All dies geschieht lange, ohne dass es die Anbieter genau nachvollziehen oder gar digital messen könnten.

Fundament der Customer Journey

Bevor wir tiefer in die einzelnen Säulen eintauchen, ist es wichtig zu verstehen, dass erfolgreiches Demand Generation auf einem tiefen Verständnis der Customer Journey(s) basiert. Schließlich brauchen wir ein starkes Modell, um eine optimale Customer Experience im Entscheidungsprozess zu erreichen. Dieses Verständnis lässt sich nicht aus internen Annahmen oder reinen Tracking-Daten gewinnen. Es erfordert einen systematischen Ansatz der Entscheidungsanalyse, bei der wir mit der Customer-led-Growth-Methode arbeiten. Diese beinhaltet:

  • Strukturierte Kundeninterviews (8-12 Interviews mit Idealkunden)
  • Analyse nach qualitativen Methoden
  • Entwicklung detaillierter Customer Journey Maps
  • Integration der Erkenntnisse in alle vier Säulen der Demand Generation

Erste Säule: Thought Leadership durch Content Marketing

Die erste Säule zielt darauf ab, sich mithilfe von Content als Vordenker und wichtigster Wissenslieferant der eigenen Branche zu positionieren sowie Themenführerschaft aktiv zu gestalten. Im Idealfall entwickeln Sie sich zum Category-Leader, also demjenigen, der ein neues Marktsegment definiert. Dies erfordert nicht nur hochwertige Inhalte, sondern vor allem ein tiefes Verständnis der Kundenherausforderungen, -motivationen und -bedürfnisse.

Zweite Säule: Content SEO als strategischer Hebel

Content SEO gewährleistet nicht nur mittel- bis langfristig die organische (und damit kostenlose) Auffindbarkeit der Inhalte in Suchmaschinen – es ist ein strategischer Hebel für langfristigen Erfolg. Eine durchdachte Keyword-Strategie bildet dabei die Basis für erfolgreiche Demand Generation. Dabei geht es weniger um generische Suchbegriffe mit hohen Volumina. Vielmehr zielt es auf Keywords, die auf konkrete Fragen im Entscheidungsprozess und damit den gesamten Funnel ausgerichtet sind.

Für eine erfolgreiche Content-SEO-Strategie sind folgende Aspekte entscheidend:

  • Entwicklung einer hochwertigen Keyword-Strategie für Rankings & Backlinks
  • Ausrichtung der Inhalte an der Customer Journey
  • Fokus auf Entscheidungsrelevanz statt reinem Suchvolumen
  • Kontinuierliche Optimierung des Cornerstone Contents
  • Integration von E-A-T-Prinzipien (Expertise, Authoritativeness, Trustworthiness)

Besonders wichtig ist dabei die langfristige Sichtbarkeit Ihrer Artikel mithilfe kontinuierlicher Suchmaschinenoptimierung. Ein Text, der heute gut rankt, kann morgen schon von Wettbewerbern überholt werden. Daher gilt es bestehende Inhalte regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren sowie neue Content-Formate zu erstellen.

Integration von Content SEO und Thought Leadership

Die wahre Kunst besteht darin, Content SEO und Thought Leadership so zu verzahnen, dass sie den Entscheidungsprozess Ihrer potenziellen Kunden optimal unterstützen. Dies gelingt nur durch:

  • Tiefes Verständnis der Suchintention in verschiedenen Journey-Phasen
  • Strukturierte Aufbereitung von Expertenwissen
  • Konsequente Ausrichtung am “They ask – You answer”-Prinzip
  • Integration von Praxisbeispielen und Beweisführung

Die dritte Säule: Performance Marketing für gezielte Reichweite

Performance Marketing als dritte Säule sorgt für Reichweite, wobei besonders LinkedIn als Business-Netzwerk sowie Google Ads die Schlüsselrollen spielen. Anders als bei klassischen Advertising-Kampagnen zielen Anzeigen bei Demand Generation nicht ausschließlich auf Conversions hin zu Lead-Registrierungen. Stattdessen ist es oberstes Ziel, potenzielle Kunden in ihrer Buyer’s Journey zu fördern.

Eine optimale Customer Experience resultiert aus dem Erlebnis einer ehrlichen, hochqualitativen Entscheidungsunterstützung. Daher sollten Sie Anzeigen auch für Content-Angebote schalten, die Entscheider:innen ein gutes Stück voranbringen, ohne dass sich diese registrieren müssten. Schließlich gewinnen Sie Vertrauen nicht über die schnelle Conversion oder Verkaufsdruck, sondern schrittweise, indem Sie die Entscheidungsautonomie achten.

Kernelemente des Performance Marketing sind:

  • Umfassende Strategieentwicklung basierend auf Customer Journey Mapping
  • Gezielte Google Ads-Kampagnen mit präziser Keyword-Analyse
  • Effektive LinkedIn Ads mit optimierter Zielgruppensegmentierung
  • Kontinuierliche Performance-Analyse und Optimierung

Die vierte Säule: Learning Center als Innovationstreiber

Ein Learning Center – meines Erachtens der größte und am meisten vernachlässigte Hebel – unterscheidet sich fundamental von klassischen Ressourcen-Bereichen oder Knowledge Bases. Der entscheidende Unterschied liegt in der konsequenten Ausrichtung am Entscheidungsprozess potenzieller Kunden. Statt einer reinen Wissensvermittlung oder Produktpräsentation steht der Servicecharakter im Vordergrund: Sie befähigen Entscheider:innen dazu, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Die Struktur eines Learning Centers orientiert sich idealerweise an der Customer Journey – von der ersten Awareness-Phase bis hin zur Entscheidung, mit einem zusätzlichen Ausblick auf die Anwendungsphase – alles auf einer Unterseite, die Besucher:innen durch den Entscheidungsprozess (oder einen wichtigen Teilaspekt) führt. Diese Journey-orientierte Navigation hilft Interessenten, genau die Informationen zu finden, die sie in ihrer aktuellen Entscheidungsphase benötigen.

Die fünfte Säule: Events als Interaktionsplattform

Events, sowohl online als auch offline, sind ein kraftvolles Instrument der Demand Generation. Sie erlauben die direkte Interaktion und machen den Anbieter für potenzielle Kunden greifbar. Besonders Online-Formate wie Webinare, Office Hours und Podcasts ermöglichen es Interessenten, sich schrittweise und unverbindlich anzunähern.

Der Vorteil dieser Formate liegt in ihrer Dialogfähigkeit: Teilnehmer können Fragen stellen, sich mit anderen austauschen und die Expertise des Anbieters direkt erleben. Dies senkt die Hemmschwelle für eine spätere Kontaktaufnahme deutlich. Gleichzeitig eröffnen Events die Chance, Thought Leadership authentisch zu demonstrieren und Vertrauen aufzubauen.

Integration der fünf Säulen

Die Stärke der Demand Generation liegt im Zusammenspiel ihrer Komponenten: Content Marketing, Content SEO und Learning Center schaffen die inhaltliche Basis für nachhaltiges Wachstum. Performance Marketing erweitert gezielt die Reichweite, während Content SEI die langfristige Sichtbarkeit sichert. Das Learning Center veredelt den generierten Traffic mittels strukturierter Wissensvermittlung zu konkreten Anfragen. Thought Leadership durchdringt dabei alle Kanäle und manifestiert sich besonders im Learning Center. Die Events komplettieren dieses Gefüge, indem sie persönliche Begegnungen ermöglichen, Vertrauen aufbauen und die Schwelle zur Kontaktaufnahme senken.

Erfolgsmessung

Die Erfolgsmessung bei Demand Generation unterscheidet sich fundamental von klassischen Lead-Generation-Metriken. Da sich Entscheidungsprozesse zunehmend im “Dark Social” abspielen und viele Aktivitäten nicht sofort zu einer Conversion führen, erfordert die Messung ein Umdenken. Statt einer engmaschigen Erfolgsmessung, wie sie im data-driven Marketing üblich ist, konzentriert man sich auf aussagekräftige Indikatoren:

Zentrale KPIs:

  1. Marketing-qualified Leads (MQL)
  • Besonders wertvoll als “leading indicator”
  • Entstehen z. B. aufgrund von Webinar-Teilnahmen
  • Werden passiver bearbeitet als klassische Leads
  1. Marketing-generated Opportunities
  • Zeigen die Effektivität verschiedener Kanäle
  • Besonders aussagekräftig, da Opportunities meist in Kontakt mit dem Sales kommen
  • Ermöglichen Rückschlüsse auf erfolgreiche Formate
  1. Marketing-generated Revenue
  • Direkter Umsatzbeitrag der Maßnahmen
  • Mit Vorsicht zu interpretieren wegen komplexer Attribution
  • Wichtig für langfristige Strategiebewertung

Customer Journey als Fundament

Die Basis für erfolgreiche Demand Generation ist aber ein tiefgreifendes Verständnis der Customer Journey. Statt sich auf vage Annahmen oder reine Tracking-Daten zu verlassen, setzen Unternehmen auf:

  • Strukturierte Kundeninterviews (8-12 Gespräche mit Idealkunden)
  • Customer Journey Mapping auf Basis wissenschaftlicher Methoden
  • Integration der Erkenntnisse in alle Maßnahmen und Kanäle

Dieses systematische Vorgehen hilft nicht nur bei der initialen Strategieentwicklung, sondern bildet auch die Grundlage für kontinuierliche Optimierungen und Erweiterungen.

Erforderliche Kompetenzen

Für eine erfolgreiche Umsetzung sind verschiedene Kernkompetenzen erforderlich:

  • Fundiertes Content-Marketing- und SEO-Know-how
  • Tiefes Verständnis von Customer Journeys und Customer Experience
  • Erfahrung in Interviewtechniken und Customer Journey Mapping
  • Expertise in methodischen Ansätzen wie Jobs to be Done oder Revellas Buyer Personas
  • Expertise im Performance Marketing

Implementation und Timeline

Der Aufbau einer funktionierenden Demand Generation erstreckt sich typischerweise über mindestens sechs Monate. Diese Timeline kann sich verkürzen, wenn bereits qualitativ hochwertiger, relevanter Content vorhanden ist, der sich in die neue Struktur integrieren lässt.

Häufige Fallstricke

Bei der Implementierung sollten Unternehmen diese typischen Fehler vermeiden:

  • Ungeduld bei ausbleibenden schnellen Erfolgen
  • Rückfall in Push-Marketing oder klassische Lead-Generation
  • Unzureichende Integration der verschiedenen Kanäle
  • Zu geringe Budgets für Performance Marketing, vor allem in stark umkämpften Branchen
  • Mangelnde Abstimmung zwischen Marketing und Vertrieb

Ausblick und Fazit

Der Erfolg von Demand Generation wurzelt in der konsequenten Neuausrichtung dieses Marketing- und Vertriebsansatzes. Dies bedeutet, die Customer Journey der Zielkunden als Kompass zu nutzen und alle fünf Säulen zu einer schlüssigen Strategie zu verweben. Entscheidend ist der Aufbau der notwendigen Kompetenzen im Team, gepaart mit der Geduld, diesen Ansatz zur vollen Entfaltung zu bringen. Der Fokus liegt dabei nicht auf der schnellen Lead-Generierung, sondern auf dem Aufbau tragfähiger, qualitativer Neukundenkontakte.

Der Return on Investment mag später einsetzen als bei aggressiveren Push-Marketing-Strategien. Dafür ist er nachhaltiger und führt zu qualitativ hochwertigeren Kundenbeziehungen. Unternehmen, die diesen Ansatz konsequent verfolgen, schaffen nicht nur kurzfristige Verkaufschancen, sondern bauen eine starke Position als Thought Leader in ihrer Branche auf.

Die Zukunft des B2B-Marketing liegt nicht in der Jagd nach schnellen Leads, sondern im Aufbau vertrauensvoller Beziehungen durch echten Mehrwert und tiefgreifende Expertise. Demand Generation mit einem starken Learning Center als Kern ist der Weg, diese Vision Realität werden zu lassen.

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